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But Science…

Da wir unseren letzten Artikel mit den Worten „Laut der Studie…“ begonnen haben, erscheint es uns nur sinnvoll, in den nächsten Blogposts einmal genauer darauf zu schauen, was die Wissenschaft eigentlich zum Thema Naturkosmetik sagt.

Wir möchten dabei zunächst einen Schritt zurückgehen und einmal darüber nachdenken, welche Bedeutung der Wissenschaft in unserer Zeit überhaupt zukommt.

Es gibt Stimmen, die behaupten, man könne „die Wissenschaft“ alles sagen lassen. So wie man die Bibel theoretisch alles sagen lassen kann - mit einem Vers, den man aus dem Zusammenhang reißt.

„Aber die Wissenschaft sagt,… [fülle die Klammern mit jeder beliebigen Studie, die deinem Standpunkt dienlich ist.]“

In beiden gerade genannten Fällen generiert man Totschlagargumente, denen nur mit viel rhetorischem Geschick oder mit einem breiten Hintergrundwissen und im besten Fall beidem beizukommen ist. In der Regel hat man jedoch sein Gesprächsgegenüber zunächst einmal mundtot gemacht. Denn wer hat schon ad hoc die Fähigkeit und das Wissen, einem solchen „argumentum ad verecundiam“, einem sogenannten Autoritätsargument, qualifiziert zu begegnen?

Die Berufung auf Autoritäten, wie z.B. auf Wissenschaftler, die nach strengen methodologischen Standards und auf Basis überprüfbarerer Daten arbeiten, ist in jedem Fall eine starke Argumentationsbasis.

Das Dilemma der Wissenschaft

Doch auch die Wissenschaft befindet sich in einem Dilemma. Es scheint ein überaus populärer Mythos zu sein, dass sie eine Lieferantin für unumstößliche Wahrheiten und eindeutige Lösungen ist. Durch diese unrealistische Erwartungshaltung, scheint es immer schwieriger zu werden, dass sie ihrer eigentlichen Aufgabe nachkommen kann – nämlich eine Stimme der Vernunft zu sein, auf Basis kritischer Analyse sowie Ausgewogenheit und Besonnenheit.   

Besonders in den letzten 1,5 Jahren sind Wissenschaft und Forschung mitten in die Gesellschaft gerückt. Sie nehmen gerade einen historisch beispiellosen Einfluss auf die Politik und auf das öffentliche Leben. Manche Situationen, so auch unsere momentane Ausnahmesituation, verlangen nach schnellen Antworten und einfachen Lösungen, setzen aber genau damit die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft aufs Spiel. Denn eilig herausgegebene Studien und das öffentliche Zurückziehen und die Korrektur unreifer Resultate führen zu einem verständlichen Vertrauensverlust in die Autorität der Wissenschaft.

Wenige Menschen sind zudem darin ausgebildet, wissenschaftliche Studien zu lesen, die Ergebnisse zu interpretieren und sie in angemessener Weise weiterzugeben. Um aus diesem Dilemma herauszukommen, gibt es, so scheint es zumindest in jüngster Vergangenheit, vorrangig zwei Wege: „Blindes“ Vertrauen oder ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber Wissenschaft – oder vielleicht sollte man besser sagen, gegenüber den Menschen, die Wissenschaft betreiben, diese auswerten und weitergeben. Und obwohl sich die meisten Menschen wahrscheinlich irgendwo zwischen diesen beiden Extremen befinden, scheint es schwieriger zu werden, wissenschaftliche Ergebnisse öffentlich in Frage zu stellen oder sie zumindest kritisch zu hinterfragen. Niemand möchte doch gerne als Feind der Wissenschaft gelten.

 

Eine Lanze brechen für die Wissenschaft

Dabei ist Wissenschaft doch per Definition genau das: ein gewissenhaftes und faktenbasiertes Hinterfragen und Infragestellen der eigenen Überzeugungen. Ein Wissenschaftler sucht so lange Argumente, um die eigenen Thesen zu widerlegen, bis er keine mehr finden kann. Erst wenn möglichst alle oder zumindest alle möglichen Kontraargumente benannt und ausgeräumt sind, ist eine These überhaupt valide. Ein Hinterfragen von Wissenschaft ist damit Wissenschaft.

Natürlich ist auch sie dabei nicht frei von der Gefahr korrumpiert zu werden, besonders, wenn große wirtschaftliche Interessen die Triebfeder sind. Eine wichtige erste Frage, die man sich stellen sollte, wenn jemand seine Argumentation mit den Worten „Wissenschaftler haben herausgefunden…“ oder „Studie XY besagt, dass…“ beginnt: Wer ist der Auftraggeber für diese Studien und wer finanziert sie?

Hat man die Zeit und Energie, das herauszufinden, so klärt sich womöglich sehr schnell, ob etwaige Interessenskonflikte vorliegen und die Objektivität der Ergebnisse eventuell in Frage gestellt werden kann.

Natürlich hat nicht jeder die Kapazität, ein wissenschaftliches Studium zu absolvieren, zu lernen, wie man Studien richtig liest und dieses Wissen dann auf jede Studie, die ihm im Alltag begegnet, anzuwenden. Eine Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Standards, mit konträren wissenschaftlichen Positionen und ein allgemeines Interesse an Zusammenhängen schafft jedoch das Vertrauen oder baut solches wieder auf, das vielleicht in der Vergangenheit durch Einseitigkeit verloren gegangen ist. Das ist die Verantwortung, die wir als mündige Teilnehmer unserer Gesellschaft tragen.

Kosmetikbranche und Wissenschaft

Die Kosmetikbranche ist in Sachen evidenzbasierte (also auf empirische Belege gestützte) Wissenschaft nicht gerade ein Vorreiter. Stiftung Ökotest kommt z.B. zum Ergebnis, dass gut durchgeführte Studien (wie zum Beispiel sog. placebokontrollierte Doppelblindstudien) in der Kosmetikbranche nur die Ausnahme sind. Es sei „Augenwischerei“, wenn Hersteller ihre Produkte mit Aufdrucken wie "in Kliniken bewährt", "klinisch getestet", "von Dermatologen empfohlen" oder "dermatologisch getestet" bewerben. Solche Aussagen klingen zwar zunächst seriös, sagen aber oft wenig bis nichts aus. „Es handelt sich um reine Marketingbotschaften, die eigentlich Selbstverständliches dick aufblasen: Es ist durchaus üblich, dass Firmen Tests auf Verträglichkeit machen, bevor ein Produkt auf den Markt kommt. Allerdings gibt es hierfür keine einheitlichen Standards oder Kriterienkataloge, die die Tests erfüllen müssen.“[oekotest.de]

Die Tatsache, dass wir in einer Zeit leben, in der es sehr einfach ist, an Informationen zu gelangen, geht mit einer Verantwortung auf unserer Seite einher. Und dass diese Verantwortung von vielen auch ernst genommen wird, zeigt z.B., dass von Kunden verstärkt Wirksamkeitsnachweise eingefordert werden, weil sie dem Versprechen der Herstellers nicht mehr blind vertrauen möchten. Wir sind deutlich bewusstere Konsumenten geworden – und das ist eine gute Entwicklung. 

Die Komplexität der Zeit, in der wir leben, verlangt uns immer komplexere Fähigkeiten ab. Diese auszubilden und zu gebrauchen kostet Zeit und Energie. Wir möchten - auch durch unsere Arbeit hier auf unserem Blog- einen Beitrag dazu leisten und Vertrauen aufbauen, damit man sich am Ende des Tages auch einfach mal zurücklehnen und genießen kann, was gut und nachhaltig ist.

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